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Sklaven der Marianne

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05.07.1999

Von Kloth, Hans Michael

Verkrachte Existenzen und Abenteurer vieler Länder gingen in die Fremdenlegion - ausgerechnet die deutschen "Erbfeinde" stellten lange die meisten Söldner, fand eine neue Studie heraus.

Die Flucht des 18jährigen Pennälers sorgte für Schlagzeilen: "Der Unterprimaner Jünger, ein Sohn des Bergwerkbesitzers Dr. phil. Jünger hierselbst, hat sich für die französische Fremdenlegion anwerben lassen und befindet sich bereits auf dem Wege über Marseille nach Afrika", meldete das Lokalblatt im niedersächsischen Rehburg am 16. November 1913. "Der Vater des Bedauernswerten hat sich an das Auswärtige Amt in Berlin um Hilfe gewandt."

Während Vater Jünger deutsche Amtsstellen bemühte, um seinen Sohn aus den Fängen der Fremdenlegion zu befreien, besann sich der minderjährige Ernst schon eines Besseren. Zweimal versuchte er, aus dem Ausbildungslager in Algerien auszubrechen, vergeblich. Die Legionäre wußten nichts mit diesem Jüngling aus gutbürgerlichem Haus anzufangen und schickten ihn schließlich fort. Ernst Jünger kam knapp sechs Wochen nach seiner Flucht gerade noch rechtzeitig zum Christfest wieder daheim in Rehburg an: "So rauh der süßen Schwärmerei entrissen / wird eins mir klar / ''s ist hier wie dort beschissen", dichtete der angehende Großgeist kleinlaut.

Das Bürgerkind war eine Ausnahme. Die meisten Legionäre verdingten sich aus Not oder Verzweiflung. Sie waren im bürgerlichen Beruf Gescheiterte, Wurzellose und Weltenbummler oder auch Leute, die vor dem Gericht, der Ehefrau oder einer Alimentenklage die Flucht ergriffen hatten.

Auffallend viele Deutsche trugen das "Képi blanc" der Legion. Jünger war der Prominenteste, ihm am nächsten kam Philip Rosenthal, Porzellanfabrikant und Sozialdemokrat. Er trat am 8. September 1939 in die Fremdenlegion ein, um gegen Hitler zu kämpfen. Doch anstatt die Maginot-Linie zu verteidigen, mußte er nach der Grundausbildung mit einer Maultierkompanie durch die Sahara ziehen.

Rosenthals Zeit als Legionär endete am 23. Oktober 1942. Da hatte Frankreich längst kapituliert, die Fremdenlegion unterstand dem Regime von Vichy. Der Deutsche wollte desertieren, mußte in einem Steinbruch Zwangsarbeit verrichten und schlug sich schließlich über Gibraltar nach England durch.

Fast 100 Jahre lang, so schreibt der Historiker Eckard Michels, der die Geschichte der Deutschen in der Fremdenlegion erstmals erforschte, seien sie "quantitativ wie qualitativ die bei weitem wichtigste Nationalität in der Legion" gewesen**.

Die 1831 vom Bürgerkönig Louis Philippe gegründete "Légion étrangère" sollte den französischen Kolonial-

*Auf den Champs-Elysées in Paris am 14. Juli 1993.

** Eckard Michels: "Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten". Schöningh Verlag, Paderborn; 362 Seiten; 68 Mark.

ambitionen in Afrika und Asien militärischen Nachdruck verleihen, ohne daß allein die eigenen Bürger Blutzoll entrichten mußten. Die Offiziere waren Franzosen, aus dem Ausland kamen die Fußtruppen.

Keine fremde Nation sollte eigentlich mehr als ein Drittel der einfachen Soldaten stellen. Doch seit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 bildeten ausgerechnet die Landeskinder des rechtsrheinischen "Erbfeindes" das Rückgrat der französischen Expeditionsstreitmacht. Zwischen 1871 und dem Ersten Weltkrieg traten rund 38 000 Deutsche in die Legion ein.

Weil die Pariser Militärs dem Legionsmotto "Legio patria nostra" (Die Legion ist unser Vaterland) nicht so recht trauten, kämpften deutsche Fremdenlegionäre im Ersten Weltkrieg nicht in den Schützengräben Nordfrankreichs, sondern in Nordafrika und Indochina.

Nach den guten Erfahrungen rekrutierten die Franzosen nach 1918 gezielt in den besetzten Rheinlanden. Der französische Staatschef Georges Clemenceau ließ in den Versailler Vertrag eigens eine Klausel aufnehmen, die Paris das Recht gab, Deutsche für die Legion anzuwerben.

Um sie nicht zu verprellen, blieb das gebräuchliche Schimpfwort "Boche" tabu; ein Sergeant, der es benutzte, wurde umgehend zum einfachen Legionär degradiert. Deutsch, nicht Französisch, war, sofern kein Offizier dabeistand, die Umgangssprache in der Truppe.

Nach der Machtergreifung Hitlers durfte die Fremdenlegion in Büchern, Filmen oder Vorträgen nicht erwähnt werden. 1939 entzogen die Nazis aktiven Fremdenlegionären die deutsche Staatsbürgerschaft. Ehemalige wurden als "bedingt wehrwürdig eingestuft" und im Krieg in das Strafregiment des Afrikakorps gesteckt. Der Anteil der Deutschen sank auf 20 Prozent.

Nach der Niederlage Frankreichs 1940 forderten die Nazis vom Vichy-Regime die

* Links: im Dezember 1994 bei einer Sitzung des bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst in München; rechts: im Oktober 1996 in seinem Haus in Selb vor einem Porzellanbild Victor Vasarelys.

Auslieferung aller deutschen Legionäre. Die Fremdenlegion sperrte sich - nicht aus politischen Gründen, sondern um das "Anonymat" zu wahren. Auf der Garantie, deren Identität nicht preiszugeben, beruhte die Loyalität der Legionäre.

Für Juden war die Legion kein Fluchtort. Als sich immer mehr jüdische Flüchtlinge aus Deutschland gemeldet hatten, um gegen die Nazis zu kämpfen, beschloß der Generalstab im Februar 1940, "fortan unter Vorschieben verschiedenster Gründe allen Juden den Eintritt in die Legion zu verweigern". Die Zahl der angeworbenen Deutschen sank prompt um gut die Hälfte.

Noch während die letzten Schlachten im Zweiten Weltkrieg tobten, rekrutierten die Franzosen unter gefangengenommenen Wehrmachtssoldaten, die das an die Japaner verlorene Vietnam zurückerobern sollten.

Der Korrespondent der "Frankfurter Allgemeinen", Adalbert Weinstein, berichtete 1954 aus Saigon, er habe "auf den Grabkreuzen fast ausschließlich als Geburtsorte Städte und Dörfer gefunden, die zwischen Königsberg und Trier, Hamburg und München lagen".

Von 20 000 deutschen Legionären dienten 11 000 in Indochina; unter den 3500 Söldnern, die als Verteidiger der Dschungelfestung Dien Bien Phu das "Stalingrad des weißen Mannes" erlebten, waren 1600 Deutsche.

Auch auf der Gegenseite, dem Vietminh, standen makabrerweise deutsche Fremdenlegionäre. Die Gegenpropaganda, für Ho Tschi-minh, lag in den Händen zweier deutscher Ex-Legionäre, die 1945 aus japanischer Gefangenschaft zum Vietminh gewechselt waren. "In die Köpfe dieser schlecht denazifizierten, verirrten und verwirrten Landsleute ,mehr Licht'' zu bringen ist schwer", schrieb der Goethe-kundige Vietminh-Oberstleutnant Erwin Borchers 1950 an den DDR-Botschafter in Peking und bat um logistische Hilfe bei einem Rückführungsprogramm für Fremdenlegionäre.

Daheim in der westlichen Teilrepublik blieb die Faszination der Legion ungebrochen. Freddy Quinn führte mit dem Lied "Der Legionär" 1958 wochenlang die Hitparade an. Die Polizeidirektion Landau meldete, die Zahl der Freiwilligen erhöhe sich "ganz erheblich, wenn in der Presse Berichte oder Bildreportagen über die Fremdenlegion erscheinen".

Die Bonner Regierung wurmte vor allem, daß die Franzosen ungeniert auf deutschem Boden rekrutierten. Doch solange die Bundesrepublik nicht ihre Souveränität wiedererlangt hatte, hielt sich Adenauer mit Kritik an Paris zurück. So stoppte Bonn im März 1954 eine Plakataktion der Mainzer Landesbehörden gegen die Fremdenlegion.

Die Franzosen waren fortan bei der Rekrutierung in Deutschland um Unauffälligkeit bemüht. Obwohl ihre Militärs befürchteten, ohne die Deutschen könnte die Legion bis zu 80 Prozent ihrer dringend in Indochina benötigten Bewerber verlieren, schloß sie 1952 das "Camp Wagram" am Stadtrand von Offenburg. Die Anwerbung fand von nun an in getarnten Büros statt.

Erst der Krieg in Algerien "setzte einen Schlußpunkt unter annähernd ein Jahrhundert deutscher Dominanz in der Fremdenlegion", schreibt Autor Michels. Daß deutsche Söldner in Indochina kämpften, hatte Bundeskanzler Konrad Adenauer noch damit gerechtfertigt, dort werde die freie Welt gegen den Kommunismus verteidigt; in Algerien jedoch tobte ein reiner Kolonialkrieg. Zum erstenmal sah man die deutschen Legionäre daheim nicht als Opfer der Franzosen, als "Sklaven der Marianne", sondern als Täter in einem schmutzigen Krieg.

Der französische Abzug aus Algerien 1962 bedeutete das Ende der "alten" Legion und der deutschen Dominanz. Innerhalb kurzer Zeit schrumpfte die Truppe von 19 000 Mann auf 7500. 1962 wurden monatlich gerade noch 50 Legionäre angeworben, Deutsche waren kaum noch darunter; im Wirtschaftswunderland gab es immer weniger Wurzellose, die es in die Fremde zog.

Heute gehören der Fremdenlegion noch 8500 Berufssoldaten aus mehr als 100 Ländern an. Sie führten Kommando-Unternehmen im Tschad, in Gabun und im Kongo aus, nahmen am Golfkrieg, an Friedensmissionen im Libanon und in Ex-Jugoslawien teil. "Die Legion ist eine geniale Erfindung", meint ein amerikanischer Diplomat fast neidisch. "Sie bewahrt Frankreich die Rolle der Kolonialmacht. Und wenn die Sache schiefgeht, liegen in den Särgen wenigstens keine toten Franzosen." HANS MICHAEL KLOTH

*Auf den Champs-Elysées in Paris am 14. Juli 1993. ** Eckard Michels: "Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten". Schöningh Verlag, Paderborn; 362 Seiten; 68 Mark. * Links: im Dezember 1994 bei einer Sitzung des bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst in München; rechts: im Oktober 1996 in seinem Haus in Selb vor einem Porzellanbild Victor Vasarelys.
DER SPIEGEL 27/1999
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