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"Ich bin im Krieg zum Kriegsgegner geworden"

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22.03.2014

Johann Weber war sechseinhalb Jahre in der französischen Fremdenlegion. Die Erinnerungen an Indochina und Algerien lassen den jetzigen Muckentaler nicht los. 

Mit 17 Jahren ist Johann Weber in die Fremdenlegion mehr gestolpert als bewusst eingetreten. Diese Zeit habe

sein ganzes Leben verändert, sagt der 79-Jährige heute. Foto: Brinkmann

Von Ursula Brinkmann

Muckental. "Centquatredeuxcentdouze": 104.212. Seine Marticule, seine Erkennungsnummer bei "La Légion étrangère", kann Johann Weber noch auf Französisch nennen. Sonst ist ihm von der Sprache der Nachbarn kaum etwas in Erinnerung. Französisch ist die Sprache der Fremdenlegionäre. Sie sind Soldaten des französischen Heeres. Weber war einer von ihnen. 1952 war der damals 17-Jährige, mit Mutter und Bruder aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen, in Landau in die Aufnahmestation für Fremdenlegionäre geraten - "mehr aus kindlicher Neugier und Dummheit", wie er heute sagt. Mit anderen jungen Männern habe er sich herumgetrieben, "dann gab's kein Zurück mehr."

Noch heute wirbt die Fremdenlegion (auch auf Deutsch): "Abenteuer jeden Tag - die Fremdenlegion bietet Ihnen eine neue Chance für ein neues Leben." Auf einen frisch gebackenen Bäckergesellen im Nachkriegsdeutschland mussten derartige Verheißungen verlockend geklungen haben. Von Landau ging es nach Straßburg, Marseille, Oran in Algerien. Doch in Webers Familie wusste niemand, wo der Junge abgeblieben war. "Die haben erst später übers Rote Kreuz erfahren, worauf ich mich eingelassen habe."

"In der algerischen Hafenstadt wurden wir drei Monate lang ausgebildet." Schießen, Kämpfen, Orientierung im Gelände. Totaler Gehorsam, voller Körpereinsatz bis zum Umfallen. Aber auch von Anfang an Kameradschaft. Das ist Hans Weber bis heute gegenwärtig. "Ich habe immer gesehen, dass ich gute Kumpel hatte." Der Schimanski aus dem Ruhrpott sei ein Pfundskerl gewesen, erzählt Weber am Küchentisch seines Hauses am Ortsausgang von Muckental, obwohl der was auf dem Kerbholz hatte. "Aber ich hab' nie danach gefragt." Neues Leben... Schimanski ließ es für die Legion.

Gute Kameradschaft sicherte das eigene Überleben. "Jeder Fremdenlegionär ist Dein Waffenbruder" lautet der zweite Artikel des Ehrenkodex. Das begriff Weber immer mehr, je länger er in der Legion war. Nach der Ausbildung und 23 Tagen auf einem Schiff wurde es in Indochina ernst. In einem brutalen Unabhängigkeitskrieg der Viet Minh gegen die französische Kolonialmacht spielten die Fremdenlegionäre eine wichtige Rolle. "Wir Legionäre waren die Frontkämpfer, die für die haarigen Sachen", beschreibt Weber im Rückblick den Einsatz. Er hatte nur im Kopf, "lebend da raus zu kommen." 18 Monate überstand er - sogar ohne Verletzung oder Krankheit.

Das Kämpfen, das Töten, das Sterben - Weber war als Kind in "diesem blöden Krieg aufgewachsen" - es ließ ihn kalt, musste ihn kalt lassen, wollte er nicht durchdrehen, "vor die Hunde gehen", wie er es an Kameraden selbst miterlebte. Im Rückblick unauslöschlich ist auch jene Handlung, die ihm bis heute die eigene Marticule ins Gedächtnis gebrannt hat: Verlor einer der Kameraden sein Leben, so war der letzte Dienst, den man ihm erweisen konnte, das Durchbrechen der Plakette mit der Identifikationsnummer, die jeder an einer Kette um den Hals trug.

Unter Webers Erinnerungsstücken an sechseinhalb Jahre bei der Legion ist diese Kette nicht. Eine Schützenkordel, zwei Schulterzeichen, zwei Medaillen, Magazine der Legion und die gerahmte Entlassungsurkunde aus dem 5. Régiment Etranger d'Infanterie, datiert auf den 1. Januar 1959. Schlimm sind die Erinnerungen an seine Zeit in Algerien, wo das französische Militär gegen die algerische Unabhängigkeitsbewegung FLN von 1954 bis 1962 kämpfte. Da sei es rundgegangen, spart der Kriegsveteran Details lieber aus. "Das war ein Krieg gegen ein Volk, das uns hasste." Ein erbarmungsloser Krieg gegen die Zivilbevölkerung, gegen Frauen, Kinder, Alte. Ganze Dörfer habe man angezündet. Auf den Küchentisch in Muckental tropfen Tränen.

"In diesem Krieg bin ich zum Kriegsgegner geworden." Johann Weber versuchte in Nordafrika, so gut es eben ging, "zivile" Aufgaben in der Legion zu kriegen: Kartoffeln schälen oder das Casino putzen. "Aber abhauen, das kam für mich nicht in Frage." Das hätte gegen die eigenen Ehr- und Disziplinvorstellungen verstoßen. Heute sagt er über die Zeit von 1952 bis 1959: "Die Legion hat mein ganzes Leben verändert." Gewissermaßen hat Weber den dritten Artikel des Ehrenkodex im zivilen Leben auf persönliche und bescheidene Weise umgesetzt: "Du hältst die Traditionen in Ehren, dienst mit Treue Deinen Vorgesetzten. Disziplin und Kameradschaft sind Deine Stärke, Mut und Ehre sind Deine Eigenschaften."

Hintergrund

Entgegen vielfacher Annahme handelt es sich bei der Fremdenlegion nicht um eine Söldnertruppe, sondern um freiwillige Soldaten auf Zeit des französischen Heeres. Die längste Zeit seit ihrer Gründung im Jahr 1831 diente die Truppe der Eroberung und Absicherung der Kolonien Frankreichs. Nach dem II. Weltkrieg waren Fremdenlegionäre stark eingebunden in die Konflikte der Dekolonisation in Indochina (heute Vietnam, Laos und Kambodscha) und Algerien. Das vom II. Weltkrieg zerstörte Westdeutschland entwickelte sich zum Hauptlieferanten an Soldaten. Das (eigentlich definierte) Maximum von 20 Prozent Anteil einer Nationalität stieg bis über 50 Prozent an. Doch nicht für Frankreich, sondern für einen abstrakten Ehrbegriff, für vage Ideen von einem zweckfreien Soldatentum und für die Legion, die Heimat und Familie ersetzte, zogen die Elitesoldaten an die Front. Heute, so weist es die Homepage in 15 Sprachen aus, besteht die Légion étrangère aus insgesamt 7699 Mann. Der Eingangssold beträgt 1043 Euro/Monat bei freier Unterkunft und Verpflegung. Er steigert sich nach Dienstgrad, Zugehörigkeit und Einsatzort bis zu 4818 Euro. Die Selbstdarstellung "Abenteuer jeden Tag" und die "neue Chance auf ein neues Leben" verfängt. Männer aus 136 Ländern dienen derzeit und "konstruieren sich eine außergewöhnliche Zukunft, in der Ehre und Treue grundlegende Werte" sein sollen.


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aa
 

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