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Neubeginn als Söldner

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Neue Zurcher Zeitung

von Christoph Wehrli 28.2.2017

 

Gut 2000 Schweizer standen in der Nachkriegszeit im militärischen Dienst der untergehenden französischen Kolonialmacht. In der Fremdenlegion sahen viele einen Ausweg aus den Nöten ihrer Randexistenz.

Der 18-jährige Jakob Holdener vor der Legion: In Indochina wurde er wegen «bewaffneten Überlaufens zum Feind und Zusammenarbeit mit dem Feind» in Abwesenheit zum Tode verurteilt. (Bilder: Chronos)

Der 18-jährige Jakob Holdener vor der Legion: In Indochina wurde er wegen «bewaffneten Überlaufens zum Feind und Zusammenarbeit mit dem Feind» in Abwesenheit zum Tode verurteilt. (Bilder: Chronos)

 

Seit ihrer Gründung 1831 spielte die Fremdenlegion, ein aus ausländischen Söldnern bestehender Teil des französischen Heeres, eine wesentliche Rolle in den Kolonialkriegen. In ihrer späten Phase zählte sie ihren grössten Bestand, 36 000 Mann (1953). Dem Kampf um Indochina, der 1954 bei Dien Bien Phu sein katastrophales Ende fand, folgte gleich der Unabhängigkeitskrieg Algeriens. Mit dem Land im Maghreb verlor Frankreich auch das Zentrum der Fremdenlegion in Sidi Bel Abbès. Die Truppe wurde darauf sukzessive verschlankt.

In der Zeit von 1945 bis 1962 dienten in der Légion étrangère 2200 Schweizer. Peter Huber (Universität Basel) hat ihnen eine sozialgeschichtliche Untersuchung gewidmet, die auf einem einzigartigen, mühevoll erschlossenen Quellenmaterial beruht: auf den Akten der Prozesse, die wegen Dienstversäumnis und Schwächung der Wehrkraft durchgeführt wurden. 424 Fälle hat der Historiker quantitativ analysiert und 38 Beispiele einzeln dargestellt, so dass sich sowohl eine Übersicht als auch ein unmittelbares, oft berührendes Bild individueller Lebenswege ergibt.

Vielerlei Flucht

Was führte die jungen Männer dazu, «den freiwilligen Tod zu unterschreiben», wie einer die Verpflichtung zum vorerst fünfjährigen Dienst benennt? Anders als bei den Freiwilligen im Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) sind es keine politischen Motive; das Engagement gilt dem «Vaterland Legion» und dessen Ehre («Legio patria nostra»). Auch ging kein Druck von verbreiteter Arbeitslosigkeit aus. Indessen gab es trotz Wachstum und beginnendem Wohlstand (ohne ausgebauten Sozialstaat) vielerlei Elend und Marginalisierung. Knapp ein Drittel der Legionäre stammte laut Akten aus ärmlichen Verhältnissen. Mehr als die Hälfte der Kinder gelernter Arbeiter wurden Waisen, Scheidungskinder oder Opfer häuslicher Gewalt (ein Stiefvater habe «mehr Schläge als zu essen» gegeben). 56 Prozent waren gerichtlich verurteilt, meist wegen kleiner Diebstähle oder anderer «Armutsdelikte». 40 Prozent waren einmal in einer Erziehungsanstalt – von «Brutstätten» spricht der Autor bei solchen Einrichtungen, ohne aber mechanische Zusammenhänge zu suggerieren. In wohlgeordneten Familien wiederum konnte es zu Konflikten mit der aufkommenden Jugendkultur kommen.

Ein Panzerspähwagen EBR: Diese Kriegsfahrzeuge kommen ab 1951 in Algerien zum Einsatz.

Ein Panzerspähwagen EBR: Diese Kriegsfahrzeuge kommen ab 1951 in Algerien zum Einsatz.

 

«Fluchtpunkt», wie sie Huber im Titel nennt, war die Fremdenlegion in doppeltem Sinn. Viele flohen dorthin vor Schulden, Prozessen oder Vaterschaftspflichten (und hoben vor Gericht ihre Rolle als Opfer der Verhältnisse vielleicht zu sehr hervor). Andere wurden eher durch eine Perspektive gelockt: Sie suchten den Aufstieg, strebten in eine exotische Welt oder einfach in die Ferne («ich war abenteuerlich und wollte eigentlich nach Amerika»), und wieder andere hatten Freude am Militär, waren damit aber in der Schweiz nicht zum Zuge gekommen. Die Fremdenlegion war bekannt, vor allem durch Filme – und durch warnende Aufklärung; ob aktive Werbung betrieben wurde, ist unsicher.

Heimat oder Hölle

Einen Neuanfang versprachen sich viele nicht zu Unrecht. In der Legion hatten sie endlich eine soziale Heimat. Hier «hat man keine Vergangenheit mehr, (. . .) so hat ein jeder dieselben Chancen», sagt einer, der, einst als «haltlos» eingestuft, den Aufstieg zum Feldweibel geschafft und auch geheiratet hat. Im Rückblick gilt die Legion als Lebensschule, in der man reifer geworden oder «wieder auf die gute Bahn gekommen» sei. Nach der Rückkehr in die Schweiz finden – sofern sich die Spuren nicht verlieren – viele den Tritt, wogegen einzelne wieder in eine Negativspirale geraten. Manche kommen in einer Kolonie oder in Frankreich zu einer zivilen Existenz.

 

Der ehemalige General Henri Guisan besucht 1951 Algerien und schreitet eine Ehrenformation der Fremdenlegion ab.

Der ehemalige General Henri Guisan besucht 1951 Algerien und schreitet eine Ehrenformation der Fremdenlegion ab.

 

Ist das verbreitete Bild der «Hölle» also zu korrigieren? Jeder zehnte Schweizer Legionär verlor im Dienst oder in der Gefangenschaft sein Leben. Und es bestätigt sich, dass die Truppe nach innen und nach aussen grausam sein konnte. Die unmenschliche Bestrafung von Verstössen gegen die rigide Disziplin war einer der Gründe, weshalb 18 Prozent der Schweizer einen Fluchtversuch unternahmen, zwei Drittel davon mit Erfolg. Legionäre waren ihrerseits, als Täter oder eher passiv, in Kriegsverbrechen verwickelt. Selten zeigen sich kritische Regungen wie in einem Brief: «Es geht mir sonst ziemlich gut, nur dass ich nicht geschaffen bin, um hier Leute zu töten, die mir nichts getan haben.»

Peter Hubers vielfältiges Bild lässt sich als nüchterne Würdigung der von einer «rage de vivre» getriebenen Menschen verstehen. Explizit ist aber sein Urteil über eine militärische Organisation, «die in den Metropolen Gescheiterte von ganz unten rekrutiert und gegen Schwache in den Kolonien ins Feld führt».


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aa
 

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