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Lieber Krieg als Langeweile

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10.10.2009

Alles, nur nicht auch noch Algerien verlieren! Viel hatte Frankreich bis zu diesem 1. November 1954 schon ertragen. Erniedrigend war die deutsche Besetzung. Entwürdigend die Gewissheit, sich nicht aus eigener Kraft von Nazi-Deutschland befreit zu haben. Stalin verweigerte Frankreich sogar eine eigene Besatzungszone. Amerikaner und Briten mussten sich erbarmen und traten deutsches Land an die gekränkten Franzosen ab. Demütigend auch der Verlust Indochinas: Von vietnamesischen Truppen vernichtend geschlagen, verlor Frankreich im Frühjahr 1954 seine asiatische Kolonie. Und nun dieser 1. November 1954. Dutzende Bomben detonieren in Algeriens Hauptstadt. Erstmals gelingt der Algerischen Befreiungsfront FLN ein derart großer Angriff auf die verhassten französischen Besatzer. Diese sehen sich freilich anders. Algerien eine Kolonie Frankreichs? Das weist die französische Elite empört von sich. Ja gewiss, Frankreich hat Kolonien. Algerien gehört jedoch nicht dazu, das zählt zum Mutterland. Eine Million Franzosen siedeln hier. Deshalb darf Algerien niemals fallen! "Algérie française" ist der Schlachtruf der Franzosen. Paris schickt Hunderttausende Soldaten. Das geht nur mit Wehrpflichtigen, ein Umstand, der in Frankreich für große Unruhe sorgt. Tote Soldaten sind schlecht, wenn man gewählt werden will. Für den Einsatz an vorderster Front sind deshalb andere vorgesehen. Soldaten, deren Tod in Frankreich niemand beweinen würde, Fremdenlegionäre. Die meisten sind Deutsche. Horst Pahl ist einer von ihnen. 1931 wird er geboren, wächst in Berlin-Wittenau auf. Die Jugend ist vom Krieg bestimmt und von fehlender Liebe der Eltern. Die bedeuten dem Sechzehnjährigen eines Tages, er möge doch endlich die elterliche Wohnung verlassen. Horst Pahl geht weg aus Berlin und arbeitet irgendwo in Westdeutschland. Im Stahlwerk am Hochofen, erinnert sich Claudia Walter, seine Tochter. Irgendwann 1948 muss er den Kontakt zur Fremdenlegion aufgenommen haben. Wie genau er an die Legion geraten ist, weiß auch sie nicht. Zu selten hat der Vater darüber gesprochen. Er starb 1983; Claudia Walter ist gerade 19. Die Arbeit am Hochofen ist hart und eintönig. Sollte das Leben nicht mehr bereithalten für einen jungen Mann? Möglich, dass Horst Pahl über Zeitungsartikel auf die Legion aufmerksam wird. Denn in der deutschen Presse ist die Empörung groß, weil Frankreich Deutsche für die Fremdenlegion rekrutiert. Sollen doch die Franzosen sterben, für ihre Kolonien. Die Fremdenlegion, so warnen deutsche Zeitungen, bedeutet den sicheren Tod für Tausende Deutsche. Abschreckend ist das jedoch nicht. Je mehr die Presse über die Fremdenlegion schimpft, umso mehr Deutsche zieht sie an. Von 1945 bis zur Unabhängigkeit Algeriens 1962 werden es 50 000 sein. Die Hälfte aller Legionäre im Dienste Frankreichs kommt damit aus Deutschland. Ganz neu ist das allerdings nicht. Dass in Frankreichs berüchtigter Söldnertruppe die Deutschen das Rückgrat bilden, gilt schon Jahrzehnte vor dem Zweiten Weltkrieg. Viele strömen in den Dienst des Nachbarlandes, weil sie arbeitslos sind. Andere wollen Abenteuer erleben oder sie treibt der Liebeskummer. Und natürlich sind auch ein paar Kriminelle darunter. Denn das sogenannte Anonymat schützt vor Strafverfolgung: Jeder Legionär bekommt bei Diensteintritt einen neuen Namen, ein komplett neue Identität. Wer einmal in der Legion ist, der hat mit seinem alten Leben abgeschlossen. Mindesten für fünf Jahre. Viele bleiben länger. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ist französischen Militärs klar: Man braucht mehr Deutsche. Ohne sie wird es sonst keine Fremdenlegion mehr geben. Deutschland ist groß, mit genügend jungen Männern, deren Qualitäten in Frankreich hoch im Kurs stehen. Legendär ist die Loyalität deutscher Fremdenlegionäre, seit Tausende von ihnen im Ersten Weltkrieg für Frankreich gegen die eigenen Landsleute kämpften. Außerdem hält man Deutsche für die besten Soldaten überhaupt: "Da sie beispielhafte Soldaten waren, waren sie auch Bilderbuchlegionäre. Von einer fast besessenen Disziplin und per definitionem mutig", erinnert sich der französische General Jean Hallo. Der Hunger nach deutschen Legionären ist entsprechend groß. Hitler-Deutschland hat noch nicht kapituliert, da werben die französischen Militärs bereits unter gefangenen Wehrmachtssoldaten für die Legion. Ab Januar 1945 macht Frankreich so aus alten Feinden neue Verbündete. Nicht wenige Franzosen sind entsetzt über diese Flexibilität. Wer garantiert, dass kein deutscher Kriegsverbrecher als Legionär der verdienten Strafe entgeht? Aber die Legion überprüft die Angeworbenen streng. Möglich, dass ein paar Nazis die Uniform wechseln können, die Regel ist das aber nicht. Eine Vergangenheit in der Wehrmacht ist auch nur bei den Legionären der allerersten Nachkriegsjahre von Belang. Der typische deutsche Legionär ist viel zu jung, um noch in die Wehrmacht gedient zu haben. Der typische Legionär ist wie Horst Pahl. Der ist 17, als er am 24. August 1948 in die Legion eintritt. Eigentlich ein Jahr zu jung. Aber Horst Pahl hat seine Papiere gefälscht, macht sich älter. Nach seiner Grundausbildung wird er nach Indochina verlegt. Obwohl der Krieg gegen die kommunistische Viet Minh erbarmungslos ist, verpflichtet sich Horst Pahl 1953 für drei weitere Jahre. Zweimal wird er in Indochina verwundet, aber er überlebt. Frankreich verleiht ihm die Médaille Blessés, das Verwundetenabzeichen. Als Indochina verloren ist, wird Pahl nach Algerien verschifft. Wieder werden die Legionäre an vorderster Front eingesetzt. Zusammen mit französischen Fallschirmjägern bildet die Fremdenlegion die Réserve génerale, eine hochmobile Kampfeinheit. Unablässig durchkämmen die Soldaten Algerien auf der Suche nach Aufständischen. Der massive Einsatz von Legionären und Fallschirmjägern ist zunächst erfolgreich. Doch es gehört zur Logik dieses Krieges, dass wegen der zivilen Opfer die aufständische FLN immer mehr Zulauf erhält. Auf beiden Seiten wird nun erbarmungslos gekämpft. Um an Informationen zu kommen, foltern Soldaten der Réserve génerale. Auch deutsche Fremdenlegionäre sind unter den Tätern. Die Algerier antworten nicht weniger brutal. Wer ihnen als Legionär oder Fallschirmjäger in die Hände fällt, hat kaum Gnade zu erwarten. Die französische Regierung gerät immer mehr unter Druck. Die Mehrheit der Franzosen will inzwischen raus aus Algerien. Dann gerät der Konflikt auch noch ins Fahrwasser des Kalten Krieges. Die DDR hat das Thema wegen der vielen westdeutschen Legionäre entdeckt. Der Regierung Adenauer wird Kriegstreiberei unterstellt, weil sie nichts gegen die Anwerbung der Deutschen für die Legion tut. Außerdem wirft die Kriegswilligkeit dieser jungen Westdeutschen ein schlechtes Licht auf das kapitalistische System. Denn wie bedrückend muss es jungen Männern im Westen wohl ergehen, wenn sie sich freiwillig in der Fremdenlegion verdingen? Die DEFA produziert sogar einen Propagandafilm, "Flucht aus der Hölle". Der Titel ist Programm. Der deutsche Legionär Hans Röder - gespielt von Armin Mueller-Stahl - kann den Dienst für Frankreich nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren. Mit Hilfe der FLN flieht er in die DDR. Tatsächlich soll der Film Legionäre zum Desertieren und zur Flucht in die DDR aufrufen. Doch die Erfolge sind bescheiden, weil man die Seele des Legionärs in Ost-Berlin völlig falsch einschätzt. Es gehört zu den Eigenarten der Legion, dass in Kriegszeiten viel weniger Soldaten desertieren als im Frieden. Die meisten Legionäre ziehen den Krieg dem langweiligen Kasernenleben ganz einfach vor. Horst Pahl will auch nach acht Jahren eigentlich in der Legion bleiben. Doch muss er zunächst eine Malaria auskurieren. Dafür will er einige Zeit nach Frankreich gehen, zusammen mit einem befreundeten Kameraden. Aber der fährt kurz vor der Abreise auf eine Mine und stirbt. So kommt Pahl 1956 wieder zurück nach Berlin. Immer noch ist er fest entschlossen, wieder in die Legion zu gehen. Die Liebe verhindert das; Horst Pahl lernt seine spätere Frau kennen und kehrt in ein bürgerliches Leben zurück. Er wird Busfahrer bei der BVG und Vater von drei Töchtern. Claudia Walter ist die Jüngste. Die heftigsten Kämpfe in Algerien hat Horst Pahl nicht mehr als Legionär erlebt. Frankreichs Präsident de Gaulle beendet den Krieg schließlich, weil er nicht zu gewinnen ist. Algerien soll unabhängig werden. Gegen diese Entscheidung putschen 1961 einige Generäle des französischen Heeres. Wieder zeigen die Fremdenlegionäre, wem ihre Loyalität gilt: der Armee, nicht der Republik. Speerspitze der Putschisten sind Fallschirmjäger der Fremdenlegion. Sie verüben Bomben- und Mordanschläge. Zwei beteiligte deutsche Legionäre werden für ihre Taten 1962 in Paris hingerichtet. Mit dem Algerienkrieg endet auch die fast hundertjährige Dominanz der Deutschen in der Fremdenlegion. Auf Abenteuerlustige hat sie ihre Anziehungskraft verloren. Auch wegen Arbeitslosigkeit muss kein Deutscher mehr anheuern, in der Bundesrepublik herrscht in den Sechzigern und Siebzigern anhaltend Hochkonjunktur. Weil die Deutschen fehlen, dürfen fortan auch Afrikaner und Asiaten dienen. Auch heute noch gehört die Fremdenlegion zu den schlagkräftigsten Einheiten der Welt; derzeit ist sie in Afghanistan im Einsatz. Wenn Claudia Walters Vater über die Legion sprach, dann war es nie Schlechtes. Trotz der Entbehrungen, trotz der gefallenen Kameraden. Die acht Jahre als Fremdenlegionär gehörten für Horst Pahl zu den schönsten seines Lebens. Wohl auch deshalb, weil er sich in Indochina in eine junge Vietnamesin verliebte, die ihm Sohn und Tochter gebar. Doch mit der Verlegung nach Algerien bricht der Kontakt ab. Die Halbgeschwister in Vietnam zu finden, ist heute sehnlichster Wunsch von Claudia Walter. Es wäre ein letzter Dienst für den geliebten Vater. ------------------------------ Foto: Fremdenlegionäre in Algerien, 1961 Foto: Horst Pahl in der Uniform der Legion


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