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Radpanzer und Thymian

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23.05.2015

Von Heyer, Julia Amalia

Auch die sagenumwobene Fremdenlegion will jetzt transparent sein ? und hat zum Tag der offenen Tür geladen.

Im Innenhof stehen zwei Kanonen auf weißem Kies, auf dem Banner in der Empfangshalle steht der Schriftzug "Honneur et fidélité", Ehre und Treue, in Grün und Rot, darauf eine goldene Granate, aus der Flammen züngeln. Grün wie das Land. Rot wie Blut. Enrico, 37, aus Dresden, genannt Rico, Tarnname Pieper, verzieht seine kantigen Gesichtszüge zu einem Begrüßungslächeln. Es ist kurz nach acht im südfranzösischen Aubagne, Tag der offenen Tür bei der Fremdenlegion.

Edith Piaf hat sie besungen, Serge Gainsbourg auch. In den Achtzigerjahren verkörperte Jean-Paul Belmondo im Film einen Elitekämpfer, später wurde Jean-Claude Van Damme zum Legionär. In letzter Zeit jedoch geriet die Fremdenlegion etwas in Vergessenheit, vielleicht weil der durch den Sand robbende Krieger mit Waffe und im Tarnfleck als Heldenfigur abgelöst wurde von einem anderen Männertyp, schmächtiger und bleicher, wie Edward Snowden. Das "mystische Korps" werde sich öffnen, hieß es in der Einladung. "Sprechen Sie mit Männern, die alles hinter sich gelassen haben, um ein neues Leben zu beginnen."

Oberfeldwebel Rico, seit mehr als 13 Jahren bei der Legion, hat in der Tat alles hinter sich gelassen, Dresden, seinen Job im Zentralheizungs-Lüftungsbau und seine Muttersprache auch. Letzteres war das Schwierigste, schwieriger als die Kampfeinsätze, die 150-Kilometer-Märsche mit 40 Kilo Gepäck und die Zehnbettzimmer. "Ich bin nicht so 'n Sprachbegeisterter", sagt Rico. Vier Monate lang lernte er Französisch, lernte die Marseillaise singen, belegte Kurse zur Einführung in das politische System Frankreichs. Er wurde hingeführt zu einem französischen Leben wie Kleinkinder zum Instrument bei der musikalischen Früherziehung. Inzwischen fallen ihm oft die deutschen Wörter nicht mehr ein.

Es geht vorbei an einer Vitrine mit Devotionalien, der Brustbeutel mit der flammenden Granate für 4,30 Euro. Vom Mythos zum Merchandising ist es nie weit. Hinter der Vitrine liegt der Ehrensaal, mit Marmorboden und roten Wänden. Hier, sagt er, habe alles begonnen. Noch immer sei ihm feierlich zumute, wenn er diese Halle betrete. An der Wand blickt Hauptmann Jean Danjou in Öl auf Leinwand auf diejenigen hinab, die sich verpflichten; auch seine Handprothese wird hier aufbewahrt wie ein heiliges Relikt. Auf den Capitaine geht der Ehrenkodex der Legion zurück, den auch der Oberfeldwebel auf einem kreditkartengroßen Plastikkärtchen in der Brusttasche seiner Uniform immer bei sich trägt. Jeder Legionär ist dein Waffenbruder, steht da, Mut und Loyalität sind deine Tugenden. Du bist ein Elitesoldat, deine Waffe ist das Kostbarste, was du besitzt. Deine Mission ist heilig, du vollendest sie, auch wenn sie dein Leben bedroht. Du kämpfst ohne Leidenschaft und ohne Hass; du respektierst diejenigen, die du besiegt hast.

Sieben Artikel, das ist das Gelübde, das jeder ablegt, mindestens für fünf Jahre. Es bedeutet: kaum Kontakt zur Außenwelt, weder zur Familie noch zu Freunden. Kein Smartphone, auch Autofahren und Heiraten sind während dieser fünf Jahre nicht erlaubt. Das ist der Preis für ein neues Leben, für eine neue Identität. Wer will, kann französischer Staatsbürger werden, mit einem Sold von netto 1300 Euro, Auslandszulage, freier Verpflegung und Unterkunft. Inklusive des Versprechens, dass das Leben nicht langweilig wird.

Mehr als 7000 Männer aus 150 Nationen dienen in fünf Kampfregimentern und drei Logistikeinheiten; sie sind Teil der französischen Armee. Es bewerben sich noch immer viele, nur Männer, einer von acht wird genommen. Rico aus Dresden ging zur Legion, weil er kämpfen wollte, "aber so richtig". Drei Jahre war er bei der Bundeswehr, danach suchte er die "rustikale Seite" und wollte seine "Grenzen ausloten". Und weil in Deutschland eben nie so richtig gekämpft wird, packte er einen kleinen Rucksack und fuhr nach Frankreich. Für die Legion war er im Kosovo und in Afghanistan, in der Zentralafrikanischen Republik und in Dschibuti. Zuletzt jagte er in Französisch-Guayana Goldgräber, beinahe zwei Jahre lang, ohne Urlaub. Wenn er nicht im Einsatz ist, lebt Rico mit seiner französischen Freundin in einem hübschen alten Steinhaus, umgeben von Lavendelfeldern.

Mehr als hundert Jahre lang waren die Deutschen das Rückgrat der 1831 von König Louis-Philippe gegründeten Freiwilligenarmee. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen ehemalige Soldaten der Reichswehr, nach dem Zweiten Weltkrieg Angehörige von Wehrmacht und Waffen-SS, rund ein Drittel der Kompanien bestand aus Deutschen. Heute dienen nur noch etwa 80 Deutsche, die meisten Legionäre kommen aus Osteuropa. Dem Klischee, bei der Legion heuerten vor allem Schwerverbrecher, Gestrauchelte und Söldner an, widerspricht hier jeder. "Wegen Autoschieberei weisen wir niemanden ab", sagt ein Ausbildungsoffizier. Aber Mord oder Drogen seien tabu. Und wer lüge, habe bei der Legion nichts zu suchen.

Am Nachmittag werden auf einem Feld in der Nähe Militärfahrzeuge präsentiert, es duftet nach Thymian, vor einem Radpanzer steht Vadim aus Estland, bis vor Kurzem im Norden von Mali im Einsatz. Wie war das? "Gefährlich." Hatte er Angst? "Nein."

Später wird ein Film gezeigt, in dem Soldaten zu heroischer Musik durch Wüsten und über Schneefelder fahren. Oder mit dem Fallschirm über Wüsten und Schneefeldern abspringen. Dazu gibt es ein Glas Cuvée du Terroir, einen Rotwein, den die Legionäre selbst gekeltert haben.

DER SPIEGEL 22/2015
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