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1978

Keine Chorknaben

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02.10.1978

Frankreichs berühmteste Truppe macht sich verhaßt: Entlaufene Legionäre morden und plündern auf der Insel Korsika.

Ich sah einen Fuß, den Fuß eines Menschen, er war weißlich gefärbt und stach in der Dunkelheit ab. Ich dachte sofort: "Da liegt eine Leiche'"

Es war eine -- der Leichnam einer Greisin. Nackt lag die Tote auf dem Bett, an der rechten Schläfe eine Schlagwunde. Die Beine "waren so angewinkelt, daß man daraus schließen konnte, daß sie entweder vor oder nach ihrem Tod vergewaltigt worden ist" erklärte der deutsche Fremdenlegionär Wolfgang Sprau später der Polizei.

Als er die angeblich schon tote Frau fand, benachrichtigte er die Polizei jedoch keineswegs, sondern betrank sich mit Rum und schlachtete im Haus der Ermordeten vier Hühner. Er war mit einem anderen Deutschen auf der Flucht, gesucht von der Fremdenlegion als Deserteur. Er wurde schließlich zu lebeoslänglichem Zuchthaus verurteilt wegen Mordes an eben jener Greisin.

"Ich bin unschuldig", beteuert der Deutsche auch heute, vier Jahre nach der Tat, in seiner Zuchtbauszelle im ostfranzösischen Briey, sein Geständnis sei erzwungen worden: "Mit einem Schlauch wurden wir voll Wasser gepumpt, man schlug uns in den Magen und an den Kopf." Nach drei Tagen "war ich am Ende" und "sagte zu allem ja und amen".

Die Geschworenen im korsischen Bastia glaubten dem damals 22 Jahre alten Legionär nicht. Sein Schicksal zeigt, was aus Frankreichs einstmals ruhmreicher Fremdenlegion vor allem geworden ist: eine Plage für die Mittelmeerinsel Korsika, ein zusätzlicher Stein des Antoßes für die korsischen Autonomisten. die seit Jahren gegen die Bevormundung durch die Pariser Zentralgewalt Bomben werfen.

Fünf oder sechs Legionäre, behauptete das Pariser Verteidigungsministerium, entfernten sich durchschnittlich monatlich unerlaubt von der Truppe, auf Korsika zählten die Autonomisten jedoch allein zwischen dem 25. Juli und dem 31. August 22 flüchtige Legionäre (Durchschnittsalter: 25).

Sobald die Insel-Zeitungen von Deserteuren berichten, holen laut "France-Soir" die "Leute in den abgelegenen Gebieten ihre Gewehre aus dem Schrank". Deserteure brauchen Zivilkleidung und Geld. beim Einbruch überrascht, wehren sie sich brutal. Vier Tage vor der Verhandlung gegen Sprau und seinen Kameraden brachte Legionär Ludwig Werner, 19, zwei korsische Schäfer bei Bustanicó um.

Nach dieser Tat mußten Gendarmen den desertierten Legionär Detlef Reineke vor dem Mob retten, der ihn lynchen wollte. Mit einer Perücke getarnt, wurde der Soldat in einem Café im korsischen Corte entdeckt und als vermeintlicher Mörder angegriffen. Hunderte forderten: "Hängt ihn auf."

Im Pariser Parlament brachte die kommunistische Fraktion einen Gesetzesentwurf ein, der die Auflösung der Legion. dieses "Instruments der kolonialen Eroberung". fordert. An Häuserwänden prangten Parolen wie "Legionäre = Mörder". "Legion raus".

Am 17. September fand eine Demonstration gegen die Fremdenlegion statt. Sechs Tage später explodierten fünf Bomben auf der Insel, eine vor dem Haus des sozialistischen Admirals Sanguinetti. der an der Demonstration teilgenommen hatte.

Die Legion zog zunächst ihre Ausbildungseinheiten von Korsika ab, um Übergriffe enttäuschter Rekruten zu verhindern. Die Legions-Werber. die in Frankreich 23 Büros unterhalten, versuchten Interessenten zu beruhigen: "Legionäre sind weder Söldner noch Galgenvögel."

Doch in der letzten Augustwoche erschoß der aus Malta stammende Legionär Léon Lando einen deutschen Touristen und entführte zwei Kinder. Diesmal war der Täter ein Veteran, einer der Fallschirmjäger der Legion, die im Mai über dem zairischen Kolwezi abgesprungen waren, um Europäer vor Rebellen zu retten.

Wiederum verlangten die Korsen, die Legion solle ihre Insel-Stützpunkte räumen. Stadtrat Jean Brandaloni aus Calvi nannte die Truppe schlicht "Gesindel Europas".

Dabei ist dieses heute noch rund 8000 Mann starke Gesindel. kommandiert von 1000 französischen Offizieren und Unteroffizieren, nunmehr offiziell bereits 147 Jahre für Frankreichs Gloire im Einsatz und hatte sogar noch mehr oder minder rühmliche Vorläufer: Schotten dienten Karl VII. in der "Compagnie Ecossaise des Gardes du Corps". Schweizer kämpften für Franz I., Italiener und Polen für Napoleon. Ludwig XVIII. ließ seine "Légion Royale Etrangère" vom deutschen Prinzen Hohenlohe-Bartenstein befehligen.

Etwa 14 000 Legionäre fielen bei Feldzügen vor allem in den Kolonien zwischen 1831 bis 1939. Die Fremden kämpften im Sudan und in Spanien, auf der Krim und in Mexiko. Dort widerstanden drei Offiziere und 62 Unteroffiziere und Gemeine bei Camerone mehr als 2000 Mexikanern. Erst als der Feind die Verteidiger auf drei Mann reduziert hatte, waren die Söldner zur Kapitulation bereit.

10 483 Fremdenlegionäre fielen für Frankreich in Indochina, allein 1500 in der berühmten Schlacht von Dien Bien Phu. In dieser Zeit erreichte die Truppe ihre stärkste Kopfzahl: an die 30 000 Mann. Sie mußte schließlich aus Indochina abziehen -- und acht Jahre später auch noch aus Algerien, wo sie 1831 erstmals eingesetzt worden war.

Filmstars wie Gary Cooper, Jean Gabin und Fernandel übernahmen Hauptrollen in Legionärs- Filmen, Edith Piaf besang den schönen Legionär, der den heißen Sand unter den Füßen spürte, selbst das Komiker-Paar Laurel und Hardy liefen sich als Fremdenlegionäre die Füße wund.

Heute sind Einheiten der Legion im französischen Guayana stationiert, in der Republik Dschibuti' auf Tahiti und der Komoren-Insel Mayotte, in der Nähe von Marseille und auf Korsika.

"Die Legion", behauptet ein General, "ist ein Asyl geblieben, doch keine Müllkippe." Mancher Karriere-Offi-Lier betrachtet ein Kommando in der Legion als Ehre. Nach ihrer Ablösung tragen diese Militärs weiterhin am Uniformjackett einen Knopf mit den Insignien der Fremdenlegion.

Nach wie vor wirbt die unzeitgemäß gewordene Legion um Nachwuchs. "Geistiges Niveau" so lassen die Legions-Werber in ihren Schriften wissen, "ist nicht entscheidend:' "Ausweispapiere werden nicht unbedingt Verlangt". Straftaten durchaus übersehen. 17 Jahre müssen Bewerber mindestens alt sein, 800 Franc ist der Anfangssold.

1800 Bewerber nimmt die Legion pro Jahr noch auf. "Wir haben weitaus mehr interessenten, als wir unterbringen können", behauptet das Pariser Verteidigungsministerium. Rund 150 werden bereits in den ersten Monaten wieder entlassen, Männer, die nicht erkannten, "daß wir keine Chorknaben ausbilden", wie ein Oberstleutnant meint.

"Instruction dure, guerre facile, instruction facile, guerre très dure" -- harte Ausbildung, einfacher Krieg. leichte Ausbildung, sehr harter Krieg. mit dieser schlichten Formel begründete Oberst Philippe Erulin, bis zum Sommer Befehlshaber des auf Korsika stationierten Regiments. den zuweilen brutalen Drill, der manche Soldaten zu Selbstmord oder Desertion treibt. Im Mai sahen sich Erulin und die Legions-Ausbilder wiederum bestätigt: Ihre Einheiten, in der eben zwei Offiziere Kriegserfahrung hatten und nur einige Soldaten -- in Dschibuti -- hei einem Scharmützel eingesetzt worden waren, sprangen, von den Amerikanern mit Fallschirmen ausgestattet. über Kolwezi ab. Im Gefecht mit den Rebellen starben fünf Fremdenlegionäre. rund 2<) wurden verwundet, aber sie retteten die Weißen.

Das heimatliche Fernsehen sendete Interviews mit den Kolwezi-Soldaten, von denen mancher kaum Französisch sprechen konnte (15 Prozent aller Legionäre stammen aus dem deutschen Sprachraum), der zairische Staatssekretär General Eluki Monga Aundu ließ Orden verteilen und lobte "Frankreichs beste Soldaten".

In Paris brachte Ex-Legionär Pierre Sergent, der wegen seiner Anschläge gegen die Algerien-Politik de Gaulles zum Tode verurteilt und später amnestiert worden war, ein Buch über den Einsatz in Kolwezi heraus. Das Verteidigungsministerium erklärte in einer öffentlichen Belobigung, die Fallschirmjäger der Legion verdienten "die Anerkennung der Streitkräfte und der Nation

Auf Korsika schritt Staatschef Valéry Giscard d'Estaing die Front der Truppe ab. Nun wollten Hunderte von Franzosen wissen, was zu tun sei, um in die Legion aufgenommen zu werden. Als einfache Soldaten dürfen sie in der Legion nicht dienen, werden aber oft aufgenommen wenn sie einen

falschen -- Geburtsort, etwa in (ler Schweiz oder in Belgien, angeben.

Drei Monate lang war es in Frankreich wieder ehrenvoll, Leeionär zu sein, das "képi blanc", die weiße Mütze der Legion zu tragen -- bis eben Kolwezi-Kämpfer Léon Lando wieder schoß, diesmal auf deutsche Zivilisten.

Da erschien an Häuserwänden Korsikas erneut die Parole "Legion = SS."

DER SPIEGEL 40/1978
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L'assaut de Kolwezi. 200578

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